Erste direkte Abbildung eines kühlen Planeten bei einem sonnenähnlichen Stern

Forschungsbericht (importiert) 2010 - Max-Planck-Institut für Astronomie

Autoren
Thalmann, Christian; Carson, Joseph; Janson, Markus; Goto, Miwa; Egner, Sebastian; Feldt, Markus; Henning, Thomas; Klahr, Hubert; Mordasini, Christoph
Abteilungen
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Zusammenfassung
Die ersten Bilder von HiCIAO, dem weltweit neuesten Instrument zur Suche nach extrasolaren Planeten, haben bei dem Stern GJ 758 zur Entdeckung seines lichtschwachen Begleiters G 758 B geführt. Möglicherweise ist dies die erste direkte Beobachtung eines kühlen extrasolaren Planeten, der einen sonnenähnlichen Stern umläuft. Die geschätzte Masse von GJ 758 B beträgt 10 bis 40 Jupitermassen. Mit einer Temperatur von 600 Kelvin (330 Grad Celsius) ist er der kälteste – und in dieser Hinsicht den Planeten des Sonnensystem ähnlichste – jemals direkt abgebildete Begleiter eines sonnenähnlichen Sterns.

Mehr als 450 Exoplaneten (Planeten, die andere Sterne als die Sonne umlaufen) sind derzeit bekannt. Die meisten von ihnen wurden indirekt nachgewiesen, indem ihr Einfluss auf die Bewegung oder die Helligkeit ihres Zentralsterns beobachtet wurde. Viel schwieriger ist das direkte Abbilden eines Exoplaneten, denn die Zentralsterne sind sehr viel heller als ihre Planeten – solch ein Unterfangen entspricht dem Versuch, ein Glühwürmchen zu fotografieren, das unmittelbar neben einer kilometerweit entfernten Flutlichtlampe sitzt. Doch immer dann, wenn es gelingt, eine extrasolaren Planeten direkt abzubilden, ist der wissenschaftliche Gewinn beträchtlich, denn Bilder liefern wertvolle Informationen über die Bahn des Planeten und über die Temperatur und die chemische Zusammensetzung seiner Atmosphäre.

Jetzt ist es gelungen, auf diese Weise mit dem 8-Meter-Teleskop Subaru auf dem Mauna Kea (Hawaii) einen neuen, bis dahin unbekannten Planetenkandidaten zu entdecken, der den Stern GJ 758 im Sternbild Leier umläuft und die Bezeichnung GJ 758 B erhalten hat. Dabei wurde zur Beseitigung der durch die Turbulenzen der Erdatmosphäre verursachten Unschärfe modernste adaptive Optik eingesetzt. Zwar geht auf jeder einzelnen Aufnahme das winzige Signal des Planetenkandidaten im verbliebenen Lichthof des Zentralsterns unter, aber durch die raffinierte Kombination zeitlicher Sequenzen von Einzelbildern, das sogenannte "Angular Differential Imaging" (ADI), konnten die Astronomen den Lichthof des Zentralsterns so weit unterdrücken, dass das schwache Leuchten des Begleiters GJ 758 B im endgültigen Bild erkennbar wurde (Abb. 1).

Vor dieser Entdeckung waren nur zehn mögliche Exoplaneten direkt abgebildet worden. Aber in all diesen Fällen handelt es sich um von unserem Sonnensystem sehr verschiedene Systeme: Entweder umläuft der Begleiter seinen Zentralstern in sehr großer Entfernung (mehrere hundert mal größer als die Entfernung Erde–Sonne), oder seine Temperatur ist höher als 1000 Kelvin (und entspricht damit eher der eines Sterns als der eines Planeten), oder aber der Zentralstern ist der Sonne sehr unähnlich. Verglichen mit diesen anderen Kandidaten ist GJ 758 B den Planeten unseres eigenen Sonnensystems viel ähnlicher: Er umläuft einen sonnenähnlichen Stern in einer Entfernung ähnlich jener der äußeren Planeten des Sonnensystems – seine an den Himmel projizierte Entfernung von seinem Zentralstern entspricht etwa dem Abstand Neptuns von der Sonne. Die wahre Größe seiner Umlaufbahn kann bislang anhand der verfügbaren Daten lediglich abgeschätzt werden; am wahrscheinlichsten ist ein mittlerer Abstand vom Zentralstern von 59 Astronomischen Einheiten (verglichen mit 39 Astronomischen Einheiten für die Umlaufbahn Plutos).

Besonders interessant ist die (verglichen mit den bisher erfolgreich abgebildeten Exoplaneten) geringe Temperatur des Planetenkandidaten, die immerhin 550 bis 640 Kelvin oder 280 bis 370 Grad Celsius beträgt – dies entspricht der Temperatur eines Backofens oder der Temperatur auf der sonnenzugewandten Seite des Planeten Merkur! Damit ist GJ 758 B der kühlste jemals direkt abgebildete Begleiter eines sonnenähnlichen Sterns. Der äußerste Planet unseres Sonnensystems, Neptun, empfängt nur rund 1/900 des Sonnenlichts, das die Erde erreicht, und hat eine Oberflächentemperatur von nur rund 70 K (–200°C). GJ 758 B ist von seinem Zentralstern mindestens so weit entfernt wie Neptun. Seine wesentlich höhere Temperatur weist darauf hin, dass dieser Körper sich noch in der Phase der Kontraktion befindet, während der die jungen, massereichen Gasplaneten ihre Gravitationsenergie in Wärme umwandeln. Bei einem solchen kontrahierenden Körper sind Temperatur, Alter und Masse miteinander verknüpft: Je massereicher er ist, umso länger dauert es, bis er seine überschüssige Wärme in den Weltraum abgestrahlt und seine Gleichgewichtstemperatur erreicht hat. Aus diesem Grund lässt sich auch die Masse von GJ 758 B nicht genauer bestimmen: Seine gemessene Infrarothelligkeit entspricht der eines 700 Millionen Jahre alten Planeten mit 10 Jupitermassen, oder aber der eines 8700 Millionen Jahre alten Begleiters mit 40 Jupitermassen. Da die Zentralsterne gleichzeitig mit ihren Planeten entstehen, würde eine genaue Altersbestimmung des Zentralsterns diese Unsicherheit beseitigen; allerdings lassen die bisher verfügbaren Beobachtungsdaten eine solche Altersbestimmung derzeit noch nicht zu.

GJ 758 B wurde während zweier unabhängiger Beobachtungsläufe im Mai und im August 2009 nachgewiesen. Die Bilder zeigen deutlich, dass GJ 758 B und der Stern GJ 758 nicht bloß zufällig am Himmel beieinander stehen: Wie zahlreiche andere nahe Sterne, besitzt GJ758 eine sogenannte "Eigenbewegung" – er verändert seine Position am Himmel, wenn auch nur sehr langsam. Die Bilder zeigen, dass GJ 758 B sich genau so bewegt, wie es zu erwarten ist, wenn er gravitativ an seinen Zentralstern gebunden ist: Seine beobachtete Bewegung am Nachthimmel ist eine Überlagerung der Eigenbewegung von GJ 758 und seiner eigenen Bahnbewegung um den Zentralstern.

Das im August gewonnene, in Abbildung 1 gezeigte Bild ist von etwas höherer Qualität und zeigt ein weiteres, dem Zentralstern etwas näher gelegenes Objekt. Es könnte sich um einen zweiten Begleiter handeln, der dann als GJ 758 C zu bezeichnen wäre. Allerdings hat eine weitere, zeitlich versetzte Beobachtung gezeigt, dass dieses Objekt nicht an der gemeinsamen Eigenbewegung des Systems teilnimmt, dass es sich also um ein im Hintergrund befindliches Objekt handelt.

Die Entdeckung von GJ 758 B, einem Exoplaneten oder Braunen Zwerg, der einen sonnenähnlichen Stern umläuft, verschafft den Astronomen einen Einblick in die Vielfalt substellarer Objekte, die in der Umgebung sonnenähnlicher Sterne entstehen können. Diese Vielfalt wiederum weist darauf hin, dass unser eigenes Sonnensystem mit seinen zur Entstehung von Leben führenden Bedingungen nur ein Szenario unter vielen ist, die sich bei der Bildung von Planeten oder Braunen Zwergen in der Umgebung sonnenähnlicher Sterne ergeben können.

Das HiCIAO-Instrument wird nun für das fünfjährige, systematische Durchmusterungsprojekt Seeds zu einer umfassenden Suche nach extrasolaren Planeten und zirkumstellaren Scheiben eingesetzt. Die spektakuläre Entdeckung von GJ 758 B während seiner Inbetriebnahme verspricht Gutes für dieses anspruchsvolle Projekt und zeigt, dass das Instrument bestens für die ihm zugedachten Aufgaben geeignet ist.

In Zusammenarbeit mit: College of Charleston, University of Toronto, Princeton University, Subaru Telescope, National Astronomical Observatory of Japan, Institute for Astronomy, University of Hawaii

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