Gesteinsplaneten könnten bereits bei ihrer Geburt Wasser beherbergen

Forschungsbericht (importiert) 2023 - Max-Planck-Institut für Astronomie

Autoren
Markus Nielbock, Giulia Perotti, Thomas Henning
Abteilungen
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Zusammenfassung
Wasser ist für das Leben zumindest auf der Erde unerlässlich. Daher ist die Frage nach seiner Herkunft auch für die Chance auf Leben auf anderen erdähnlichen Planeten zentral. Durch Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop James Webb haben wir nun Hinweise auf einen Mechanismus gefunden, der potenziell lebensfreundliche Planeten schon während ihrer Entstehung mit Wasser versorgt. Die JWST/MIRI-Daten zeugen von einem beträchtlichen Wasserreservoir im Zentralbereich einer planetenbildenden Scheibe aus Gas und Staub um den jungen Stern PDS 70, wo möglicherweise erdähnliche Planeten entstehen.

Unter Astronominnen und Astronomen wird diskutiert, wie das Wasser auf die Erde gelangt ist und ob dieser Prozess für erdähnliche Exoplaneten bei anderen Sterne funktionieren könnte. Der bevorzugte Mechanismus ist eine Zufuhr von wasserhaltigen Asteroiden, die die Oberfläche eines jungen Planeten bombardieren. Damit wären erdähnliche Gesteinsplaneten für die Entwicklung von Leben von einem eher zufälligen kosmischen Transportsystem abhängig, das Wassereis von den äußeren Bereichen des Planetensystems zu ihnen bringt.

Wir haben nun möglicherweise Beweise dafür gefunden, dass Wasser eines der frühesten Bestandteile von Gesteinsplaneten sein könnte und bereits bei ihrer Geburt vorhanden ist. Sollte sich diese Vermutung erhärten, gäbe es einen Mechanismus, der terrestrische Planeten regelmäßig und frühzeitig mit einer wichtigen Zutat für die Entstehung von Leben versorgt.

Diese Schlussfolgerung leitet sich aus unseren Beobachtungen mit MIRI (Mid-InfraRed Instrument) an Bord des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) ab. Im Rahmen des Forschungsprogramms MINDS (MIRI Mid-Infrared Disk Survey), das Thomas Henning vom MPIA leitet und sich aus Forschungsinstituten aus 11 europäischen Ländern zusammensetzt, ermitteln wir die Eigenschaften von Scheiben aus Gas und Staub um junge Sterne. Diese können uns Aufschluss über die Bedingungen geben, die die Zusammensetzung von Planeten bestimmen, die sich dort bilden.

Wasser in der inneren Scheibe von PDS 70

Beim Stern PDS 70 fanden wir unter anderem Wasser, das als heißer Dampf bei einer Temperatur von 330 Grad Celsius (600 Kelvin) vorliegt. Solche Temperaturen können nur in der Nähe des Zentralsterns auftreten, und zwar dort, wo aus dem Scheibenmaterial gewöhnlich Gesteinsplaneten entstehen. Mit der Zeit nimmt der Gas- und Staubgehalt von planetenbildenden Scheiben allerdings ab. Entweder entfernen die Strahlung oder der Wind des Zentralsterns Material wie Staub und Gas, oder der Staub wächst zu größeren Objekten heran, die schließlich Planeten bilden.

Wasser in der planetenbildenden Scheibe um PDS 70

Die Animation erläutert den Nachweis von Wasser in der Zone nahe dem Stern PDS 70. Zunächst sehen wir den Sternenhimmel und nähern uns der Position von PDS 70. Danach zeigt das Video zwei verschiedene Beobachtungen der planetenbildenden Scheibe mit den Positionen der beiden Gasriesenplaneten. Schließlich sehen wir einen Ausschnitt des Spektrums mit den Wassersignaturen, das mit dem Instrument MIRI an Bord des JWST ermittelt wurde.

Umso mehr hat uns der Fund von Wasser in dieser nicht mehr ganz so jungen, etwa 5,4 Millionen Jahre alten Scheibe überrascht. Bislang gibt es zwar noch keine Hinweise auf Planeten in der Nähe des Zentrums der PDS 70-Scheibe. Stattdessen umkreisen zwei Gasriesenplaneten, PDS 70 b und c,  in der eisigen Zone weiter außen den Stern.

Was bedeutet der Fund für das Leben auf anderen Planeten?

Wäre es also möglich, dass Planeten ähnlich der Erde oft und früh auf einen lebensspendenden Wasservorrat zurückgreifen können?

Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass ein solches Szenario die Chancen verbessern könnte, Gesteinsplaneten mit reichlich Wasser zu finden, auf denen Leben möglich ist. Die Fortschritte des MINDS-Programms werden schließlich zeigen, ob Wasser in den planetenbildenden Zonen der Scheiben um junge Sterne häufig vorkommt oder ob PDS 70 lediglich eine Ausnahme ist. Aktuellere Ergebnisse scheinen vorerst diese Vermutung zu bestätigen.

Woher stammt das Wasser?

Das Wasser könnte beispielsweise von einem ursprünglich wasserreichen Nebel stammen, der dem Scheibenstadium vorausging. Wasser kommt häufig vor, insbesondere im gefrorenen Zustand, wenn es winzige Staubpartikel bedeckt. Der Hitze eines nahen Sterns ausgesetzt, verdampft das Wasser und vermischt sich mit den anderen Gasen.

Allerdings zerfallen die Wassermoleküle leicht in ihre Bestandteile wie Wasserstoff und Sauerstoff, wenn sie von der UV-Strahlung des nahen Sterns getroffen werden. Das umgebende Material wie Staub und die Wassermoleküle selbst dienen jedoch zugleich als ein Schutzschild. Daher könnte zumindest ein Teil des Wassers, das in der Nähe von PDS 70 entdeckt wurde, die Zerstörung überlebt haben.

Eine weitere Wasserquelle könnte Gas sein, das von den Außenregionen der Scheibe von PDS 70 einströmt. Unter bestimmten Umständen können sich Sauerstoff- und Wasserstoffgas verbinden und Wasserdampf bilden. Außerdem könnten durch den Sog des driftenden Gases eisreiche Staubteilchen mitgerissen werden. Wenn sie in die innere Scheibe in der Nähe des Sterns eindringen, verwandelt sich das Eis in ein Gas.

Wir gehen davon aus, dass einer dieser Mechanismen eine entscheidende Rolle beim Auffüllen des Wasserreservoirs der PDS 70-Scheibe spielt. In Zukunft wird es darum gehen, herauszufinden, welcher das ist.

Auf dem Weg zu einem vollständigen Bild

JWST und MIRI sind leistungsstarke Instrumente, deren Ergebnisse uns immer wieder verblüffen und begeistern. Das MPIA hat mehrere wichtige technologische Beiträge für den Bau von MIRI geliefert, weswegen wir natürlich besonders stolz auf diese Ergebnisse sind.

Dennoch liefern sie nur einige Aspekte des Gesamtbildes. Wie bei einem Gemälde, das viele unterschiedliche Farben nutzt, um seine Botschaft zu vermitteln, wenden wir in der Forschung verschiedene Arten von Beobachtungen an und decken ein breites Spektrum von Wellenlängen ab, um Informationen zu erhalten und unsere Erkenntnisse zu vervollständigen.

In diesem Fall nutzten wir den MIRI-Spektrografen, um die von PDS 70 empfangene Infrarotstrahlung in Signaturen kleiner Wellenlängenbereiche zu zerlegen – ähnlich wie bei der Auftrennung einer einzigen Farbe in viele verschiedene Schattierungen. Auf diese Weise haben wir eine Fülle von einzelnen Wassersignaturen isoliert und daraus die Temperaturen und Dichten berechnet.

Um ein vollständigeres Bild über die Vorgänge um PDS 70 zu erhalten, haben wir bereits zusätzliche Beobachtungen mit bodengebundenen Teleskopen durchgeführt. Darüber hinaus warten wir gespannt auf eine weitere Reihe von JWST-Beobachtungen, die detaillierte Bilder der inneren Scheibe von PDS 70 liefern werden. Und vielleicht finden wir dann tatsächlich Hinweise auf erdähnliche Planeten oder die etwas größeren Sub-Neptune, die sich im Inneren des Wasserreservoirs bilden.

Literaturhinweise

G. Perotti, V. Christiaens, Th. Henning et al.
Water in the terrestrial planet-forming zone of the PDS 70 disk
Nature 620, 516–520 (2023)
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