Galaktische Förderbänder füttern Sternentstehung
Forschungsbericht (importiert) 2019 - Max-Planck-Institut für Astronomie
Die Rolle von Magnetfeldern bei der Entstehung von Sternen wird seit Jahrzehnten diskutiert. Jetzt hat eine Studie am Max-Planck-Institut für Astronomie gezeigt, dass Magnetfelder die Verdichtung von interstellarer Materie begünstigen und vorantreiben können – eine Vorbedingung für die Entstehung von Sternen. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus dem Befund, dass sich die interstellare Materie abhängig von ihrer Dichte mal parallel mal eher senkrecht zu den Magnetfeldlinien ausrichtet.
Sterne entstehen in verdichteten Wolken des interstellaren Mediums (ISM). Das ISM setzt sich aus Gas (überwiegend Wasserstoff und Helium) sowie kleinsten Staubteilchen aus Kohlenstoff und Silikaten zusammen. Erreicht das ISM eine genügend hohe Dichte, führt die Eigengravitation zu einem Kollaps der anfänglich kalten Materie bis hin zu heißen Sternen. Wie sich solche Wolken bilden und verdichten, ist jedoch noch nicht völlig geklärt. Die vor 60 Jahren entdeckten interstellaren Magnetfelder sind ein bedeutender Bestandteil des ISM sowohl in der Milchstraße als auch in anderen Galaxien. Sie tragen wesentlich zum Gesamtdruck bei, der das ISM gegen die Schwerkraft stabilisiert. Dennoch ist ihre genaue Rolle im Prozess der Sternentstehung Gegenstand lebhafter Diskussionen.
Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, habe ich die Ausrichtung von Magnetfeldern in Abhängigkeit von der Dichteverteilung in Sternentstehungsgebieten untersucht. Hierfür wählte ich verhältnismäßig nahe gelegene Regionen in Entfernungen bis zu 450 Parsec (1450 Lichtjahren) aus. Die Idee war: Bei einem starken Einfluss auf das ISM sollte das Magnetfeld die Dichtestrukturen des ISM formen.
Tatsächlich fand sich in allen Fällen eine parallele Ausrichtung der Magnetfelder zu der in länglichen Filamenten strukturierten, weniger dichten Komponente des ISM. Allerdings zeigte sich bei höheren Dichten eine allmähliche Verschiebung zwischen Ausrichtung der Staubfilamente und den Magnetfeldern hin zu größeren Winkeln. In den dichtesten Zonen verlief das Magnetfeld sogar senkrecht zu den Strukturen des ISM (Abbildung 1).
Das Magnetfeld leitet das ISM
Diese Ergebnisse bestätigen ein Szenario, das Abbildung 2 verdeutlicht. Das ISM ist teilweise ionisiert, das heißt, es existieren darin elektrisch geladene Ionen. Diese sind über elektromagnetische Kräfte an das Magnetfeld gekoppelt und können sich nur entlang der Feldlinien bewegen (Abb. 2a). Die elektrisch neutralen Anteile wie der Staub werden über Stöße mitgeführt. Deswegen erscheinen die weniger dichten Zonen entlang des Magnetfelds ausgerichtet. Die Turbulenz in den Wolken hilft dabei, dass sie sich entlang den Feldlinien zu Filamenten ausdehnen.
Zusätzlich wirken äußere Einflüsse auf das ISM ein. Dazu zählen sich ausdehnende Blasen infolge von Supernova-Explosionen oder die Bewegung innerhalb eines Spiralarms der Milchstraße. Diese stoßen die Wolken des ISM an, sodass diese sich wie auf Förderbändern aufeinander zu bewegen. Wenn sie aufeinandertreffen, verdichtet sich die Materie, die nun eine Vorzugsrichtung eher senkrecht zu den Magnetfeldlinien aufweist (Abb. 2b). Das Förderband führt zusätzliche Materie heran und erhöht die Dichte, bis diese so hoch wird, dass die Wolke (oder Teile davon) unter ihrer Eigengravitation kollabiert (Abb. 2c). In dieser Phase ist das Magnetfeld nicht stark genug, um den Kollaps zu verhindern. Das Feld behält während des Kollapses seine Orientierung gegenüber dem Dichteverlauf bei und wird entsprechend verzerrt.
ESA-Weltraumteleskope geben den Ausschlag
Den Zusammenhang zwischen Magnetfeldern und der Struktur von Sternentstehungsgebieten untersuche ich bereits seit einigen Jahren. Diesmal nutzte ich für meine Analyse Daten der europäischen Weltraumteleskope Planck und Herschel, die beide Mitte 2009 ihre Arbeit aufnahmen. Sie maßen die Strahlung des kalten ISM bei verschiedenen Wellenlängen.
Die Herschel-Daten sind besonders dafür geeignet, aus der Strahlung der Materie ihre Dichteverteilung mit hoher räumlicher Auflösung zu bestimmen. Aus den Planck-Daten lässt sich die Polarisation der Strahlung ermitteln, die Rückschlüsse auf das Magnetfeld gibt. Die länglichen Staubteilchen des ISM richten sich nach dem Magnetfeld aus und fungieren daher ähnlich wie Antennen. Die Schwingung der von ihnen ausgesandten Strahlung hat somit eine Vorzugsrichtung, sie ist polarisiert. Dass das ISM teils polarisierte Strahlung aussendet, ist bereits seit einigen Jahrzehnten bekannt. Allerdings war es bislang nicht möglich, die großräumige Ausrichtung zu den Strukturen im ISM zu quantifizieren.
Bilderkennungstechniken helfen bei der Untersuchung
Die Polarisationsbeobachtungen von Planck haben beispiellose Details über die interstellaren Magnetfelder geliefert. Sie sind der Grundstein für unser zukünftiges Verständnis des magnetisierten ISM. Für die Analyse wurde eine Technik adaptiert, die in abgewandelter Form bei der Bilderkennung – etwa bei Internet-Bildersuchen oder dem Erstellen von Panoramaaufnahmen – verwendet wird. Diese basiert auf der mathematischen Berechnung von Gradienten, also der Stärke und der Richtung von Veränderungen, beispielsweise der Helligkeiten in den Bildern.
Literaturhinweise