Heidelberger Forscher am größten Weltraumteleskop beteiligt
Heute soll das Infrarot-Observatorium HERSCHEL ins All starten
Der Countdown für den Start des europäischen Astronomie-Satelliten HERSCHEL läuft: Heute nachmittag um 15:12 soll der mehr als sieben Meter hohe und drei Tonnen schwere Satellit der europäischen Raumfahrtagentur ESA auf einer ARIANE-5-Rakete ins All starten. Mit einem mächtigen 3,5-Meter-Spiegel ausgestattet, ist er das größte jemals gebaute Weltraumteleskop. An Bord trägt HERSCHEL auch das Instrument PACS, an dessen Entwicklung Forscher vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) auf dem Königstuhl einen bedeutenden Anteil haben.
Am kommenden Sonntag, den 17. Mai von 10 – 17 Uhr ist am Max-Planck-Institut auf dem Königstuhl »Tag der offenen Tür« – dann besteht die Möglichkeit, diese und andere Forschungsarbeiten der Astronomen hautnah zu erleben.
HERSCHEL soll die Entwicklung von Sternen und Galaxien untersuchen und bisher nie da gewesene Bilder aus dem All liefern. Dazu arbeitet das neue Weltraumteleskop im Licht der infraroten Wärmestrahlung und kann durch Staub- und Gaswolken hindurch blicken. Solche Wolken bilden im sichtbaren Licht einen undurchdringlichen Vorhang – auch für das gegenwärtig von einem Space-Shuttle besuchte legendäre Weltraumteleskop HUBBLE. Als Namensgeber des neuen Teleskops wurde daher der Entdecker der Infrarotstrahlung, Friedrich Wilhelm Herschel (1738 – 1822), gewählt, britischer Astronom deutscher Herkunft. »Die starke Beteiligung unseres Instituts an diesem europäischen Projekt«, sagt Prof. Thomas Henning, geschäftsführender Direktor des MPI für Astronomie, »ist das Ergebnis unseres jahrzentelangen Engagements in der wissenschaftlichen Raumfahrt und bei der Entwicklung der Infrarotastronomie.«
Um die äußerst schwache Wärmestrahlung der oftmals sehr kalten kosmischen Objekte untersuchen zu können, müssen die hochempfindlichen Kameras des PACS-Instruments bis nahe an den absoluten Temperatur-Nullpunkt von minus 273 °C gekühlt werden. Für die Kühlung sorgen 2300 Liter superflüssiges Helium. Die Wärmekameras an Bord sind so empfindlich, dass sie selbst einen eisigen Schneeball in absoluter Finsternis in der Entfernung des Mondes aufspüren könnten!
Um störende Wärmestrahlung von Sonne, Mond und Erde zu minimieren, wird HERSCHEL 1,5 Millionen Kilometer weit zum sogenannten zweiten Lagrange-Punkt L2 ins All geschossen. Von dort aus gesehen liegen alle drei Störquellen, Sonne, Mond und Erde, ungefähr in derselben Richtung und können daher durch einen »Sonnenschild« abgeschirmt werden. Sie stehen dann sozusagen »im Rücken« des Weltraumteleskops. Etwa vier Jahre lang soll HERSCHEL von diesem Außenposten neue Einblicke ins kalte Weltall liefern. Dann wird das Kühlmittel aufgebraucht sein – und HERSCHEL wird erblinden.
»Um Herschel seine enorme Leistungsfähigkeit zu verleihen, waren eine Vielzahl technologischer Neuentwicklungen notwendig», sagt Dr. Oliver Krause, Projektleiter am MPIA. Ein Beispiel ist der in Heidelberg entwickelte PACS-Chopper – ein Kippspiegel-Mechanismus, der die Messdaten der kosmischen Objekte von störender Hintergrundstrahlung befreit. Dazu springt der nahezu bis zum absoluten Nullpunkt gekühlte Spiegel im Strahlengang zwischen zwei exakt definierten Positionen mehrfach pro Sekunde hin und her – und dies um Kühlmittel zu sparen bei geringstem Stromverbrauch und möglichst ohne jeden Ausfall während der gesamten Mission. »Wir sind zuversichtlich, dass uns dieses Herzstück des Instruments nicht im Stich lassen wird: Ein Duplikat hat im Labor die Chopper-Bewegung 650 Millionen mal fehlerlos durchgeführt und eine Simulation des bevorstehenden Starts auf der ARIANE-5-Rakete bei der 30-fachen Erdbeschleunigung schadlos überstanden«, erläutert Dr. Oliver Krause.
Die Heidelberger Astronomen sind mit ihren Kollegen am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching auch für den späteren Betrieb des Instruments verantwortlich. "Wir haben uns intensiv auf den Betrieb des Instrumentes im Flug vorbereitet, um den Astronomen optimale Beobachtungsergebnisse zu liefern" sagt Dr. Ulrich Klaas vom PACS Instrument-Kontrollzentrum. »Nach der zehn Jahre langen Vorbereitung freut sich nun das ganze Team auf den richtigen Betrieb und fiebert dem Start entgegen«.
Für die Entwicklung und den Bau von PACS erhalten die Heidelberger Wissenschaftler rund 300 Stunden garantierte Beobachtungszeit mit HERSCHEL, die sie unter anderem zur Untersuchung der frühesten Phasen der Sternentstehung einsetzen werden. Mit seinen hochempfindlichen Kameras fängt HERSCHEL die schwache Wärmestrahlung der extrem kalten Vorläufer der neuen Sterne, der so genannten Protosterne, ein und bietet damit den Forschern tiefe Einblicke in die Kinderstube der Sterne. Erst wenn ein junger Stern sich unter dem Einfluss der Schwerkraft so verdichtet, dass in seinem Inneren Kernfusionsprozesse gezündet werden, strahlt er auch sichtbares Licht aus. »Mit seinem gewaltigen 3,5-Meter-Spiegel wird uns HERSCHEL schärfere Detailaufnahmen solcher Protosterne liefern als jemals zuvor«, freut sich Oliver Krause vom MPIA.
Mit HERSCHEL sollen auch die extrem hell leuchtenden Quasare am Rande der beobachtbaren Welt untersucht werden: Sie werden uns von den ersten Stadien der kosmischen Entwicklung wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall berichten.