Erstmaliger eindeutiger Nachweis einer mondbildenden Scheibe um einen Exoplaneten
Junger, noch wachsender Jupiter-ähnlicher Exoplanet von Material umgeben, dessen Masse etwa drei Erdmonden entspricht
Eine internationale Gruppe von Forschenden unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg haben zum ersten Mal eindeutig eine Scheibe aus Staub um einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems nachgewiesen. Die Beobachtungen vom Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA), an dem die Europäische Südsternwarte (ESO) als Partner beteiligt ist, werden neue Erkenntnisse darüber liefern, wie sich Monde und Planeten in jungen Planetensystemen bilden.
Die Entstehung des Erdmonds ist immer wieder Thema für wissenschaftliche Diskussionen und bis heute nicht völlig geklärt. Umso mehr möchten Astronominnen und Astronomen die Entstehung von natürlichen Satelliten um ferne Exoplaneten untersuchen, um ihre Entstehungsmechanismen zu ergründen. Nun haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum ersten Mal eindeutig eine Scheibe um einen Jupiter-ähnlichen Exoplaneten entdeckt, die potentiell Monde hervorbringen kann.
„Unsere Arbeit stellt einen klaren Nachweis einer Scheibe dar, in der sich natürliche Trabanten bilden könnten“, sagt Myriam Benisty, Forscherin an der Universität von Grenoble, Frankreich, und an der Universität von Chile. Sie leitete die neue Studie, die heute in The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht wurde. „Unsere ALMA-Beobachtungen wurden mit einer so exzellenten Auflösung gewonnen, dass wir klar erkennen konnten, dass die Scheibe mit dem Planeten assoziiert ist. Zudem sind wir in der Lage, ihre Größe zum ersten Mal einzugrenzen“, fügt sie hinzu.
Die so genannte zirkumplanetare Scheibe umgibt den Exoplaneten PDS 70c, einen von zwei riesigen, Jupiter-ähnlichen Planeten, der einen fast 400 Lichtjahre entfernten Stern umkreist. Astronomen hatten schon früher Hinweise auf eine „mondbildende“ Scheibe um diesen Exoplaneten gefunden. Da sie die Scheibe aber nicht eindeutig von ihrer Umgebung unterscheiden konnten, konnten sie ihren Nachweis nicht bestätigen – bis jetzt.
Außerdem fand das Team heraus, dass die Scheibe etwa den gleichen Durchmesser hat wie die Entfernung von unserer Sonne zur Erde und genug Masse, um bis zu drei natürliche Satelliten von der Größe des Mondes zu bilden. Doch die Ergebnisse sind nicht nur entscheidend, um die Entstehung von Monden zu ergründen. Diese neuen Beobachtungen sind auch extrem wichtig, um Theorien über die Planetenentstehung zu überprüfen, die bisher nicht getestet werden konnten.
Planeten bilden sich in staubhaltigen Scheiben um junge Sterne und graben Lücken hinein, während sie Material aus dieser zirkumstellaren Scheibe für ihr Wachstum aufzehren. In diesem Prozess kann ein Planet seine eigene zirkumplanetare Scheibe entwickeln. Diese Scheibe trägt zum Wachstum des Planeten bei, während sie die Menge an Material reguliert, die auf den Planeten fällt. Gleichzeitig können sich das Gas und der Staub in der zirkumplanetaren Scheibe durch mehrfache Kollisionen zu immer größeren Objekten verdichten, was schließlich zur Geburt von Monden führt.
Doch die Astronomen verstehen die Details dieser Prozesse noch nicht vollständig. Es ist immer noch unklar, wann, wo und wie sich Planeten und Monde bilden. „Mehr als 4000 Exoplaneten wurden bisher gefunden, aber alle von ihnen wurden in entwickelten Systemen entdeckt. PDS 70b und PDS 70c, die ein System bilden, das an das Jupiter-Saturn-Paar erinnert, sind die einzigen beiden bisher entdeckten Exoplaneten, die sich noch im Entstehungsprozess befinden“, erklärt Miriam Keppler, Forscherin am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und eine der Co-Autoren der Studie. Dieses System bietet daher eine einzigartige Möglichkeit, die Prozesse der Entstehung von Planeten und natürlichen Satelliten zu beobachten und zu studieren.
PDS 70b und PDS 70c, die beiden Planeten, aus denen das System besteht, wurden erstmals 2018 bzw. 2019 mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO entdeckt und sind aufgrund ihrer Einzigartigkeit seither vielfach mit anderen Teleskopen und Instrumenten beobachtet worden.
Die jüngsten hochauflösenden ALMA-Beobachtungen haben es dem Astronomenteam nun ermöglicht, weitere Erkenntnisse über das System zu gewinnen. Die Forschenden bestätigten nicht nur den Nachweis der zirkumplanetaren Scheibe um PDS 70c und untersuchten deren Größe und Masse. Sie fanden auch heraus, dass PDS 70b keine eindeutigen Hinweise auf eine solche Scheibe zeigt, was darauf hindeutet, dass ihm PDS 70c das Staubmaterial aus seiner Geburtsumgebung entzogen hat.
Thomas Henning, MPIA-Direktor und ebenfalls Co-Autor dieser Studie resümiert: „In den letzten zwei Jahrzehnten haben wir planetenbildende Scheiben um junge Sterne entdeckt. Jetzt stellen wir uns der neuen Herausforderung, die Scheiben um junge Planeten zu untersuchen. Unsere ALMA-Beobachtungen von zirkumplanetaren Scheiben sind ein großer Schritt in diese Richtung.“
Hintergrundinformation
Die an dieser Studie beteiligten Wissenschaftler des MPIA sind Miriam Keppler, Nicolas T. Kurtovic, Paola Pinilla und Thomas Henning. Myriam Benisty (Unidad Mixta Internacional Franco-Chilena de Astronomía, CNRS, Departamento de Astronomía, Universidad de Chile, Santiago de Chile, Chile und Université Grenoble Alpes, CNRS, Grenoble, Frankreich) leitete das Team, das für die in diesem Artikel dargestellten Ergebnisse verantwortlich ist.
Hinweis: Dieser Text basiert auf der gleichzeitig erscheinenden Pressemitteilung der ESO.