Giulia Perotti erhält MPG Minerva Fast Track Fellowship
Giulia Perotti, Forschungsstipendiatin in der Abteilung Planeten- und Sternenstehung (PSF) des MPIA in Heidelberg, ist von der Max-Planck-Gesellschaft mit einem Minerva Fast Track-Stipendium ausgezeichnet worden. Dies erlaubt der Wissenschaftlerin ab Oktober 2024 den Aufbau einer Forschungsgruppe, die sich dem Studium von Frühphasen der Planetensystementstehung widmet.
Existieren im Universum Planeten bei anderen Sternen, die der Erde ähnlich sind?
Planeten, die z.B. auch Wasser und Ozeane haben oder sogar Leben beherbergen?
Dies Frage beschäftigt seit Jahrhunderten nicht nur jene Menschen, die sich mit astronomischer Forschung befassen. Doch erst vor knapp 30 Jahren endete mit der Entdeckung des ersten Planeten um einen anderen, sonnenähnlichen Stern eine lange Phase, in der es eine reine Vermutung war, dass es überhaupt solche Exoplaneten gibt. Mittlerweile wurden Tausende Planeten entdeckt – zum Teil sogar ganze Planetensysteme – mit einer Vielfalt an Objekten, die weit über das hinausgeht, was wir aus unserem eigenen Sonnensystem von Jupiter, Mars und Co. kennen. Neben der Entdeckung „fertiger“ Planetensysteme erlaubten uns die immer besser werdenden Teleskope und Instrumente der letzten Jahrzehnte auch erstaunliche Beobachtungen von Staub- und Gasscheiben um sehr junge Sterne. Genau solche Gebilde hatte man auch aufgrund von theoretischen Modellen als Geburtsstätte unseres eigenen Sonnensystems vermutet.
Sowohl die Beobachtung von Exoplaneten als auch die von solchen planetenbildenden Scheiben sind technisch eine riesige Herausforderung. Sie erfordern hohe Empfindlichkeit, extreme Auflösung und enormen Kontrast, denn andere Sterne sind weit entfernt und die umgebenden Planetensysteme oder Scheiben deshalb schwer vom Stern zu trennen. Weiterhin überstrahlen die Sterne Ihre Umgebung. Mit Instrumenten wie dem am MPIA mitgebauten SPHERE, welches am Very Large Telescope der eüropäischen Südsternwarte ESO eingesetzt wird, mit Teleskopen, die in anderen Wellenlängenbereichen arbeiten (wie z.B. ALMA), und insbesondere seit kurzem mit dem neuen James Webb Space Teleskop (JWST), an dessen Bau das MPIA auch beteiligt war, ist es nun aber möglich, nicht nur andere protoplanetare Scheiben und Planeten zu entdecken, sondern in deren detaillierte physikalische und chemische Analyse einzusteigen.
Genau dort setzt das neue Projekt von Guilia Perotti an, welches den Rahmen für die Arbeit der neuen Gruppe bildet.
„Uns fehlt uns immer noch ein umfassendes und detailliertes Bild des Materials innerhalb der Geburtsscheibe während der Planetenentstehung. Dies ist aber erforderlich, um zu verstehen, unter welchen Umständen Planeten eine Atmosphäre, Wasser oder sogar Leben haben können“, so Guilia Perotti.
Unter dem Titel "Inner solar systems: unveiling the composition of nascent worlds" („Innere Sonnensysteme: Enthüllung der Zusammensetzung der entstehenden Welten“) plant Perotti, mit hochauflösenden JWST-Beobachtungen u.a. das chemische Reservoir einer großen Stichprobe relativ „alter“ (>5 Millionen Jahre) und junger (<1 Million Jahre) Scheiben zu untersuchen, um Antworten auf wichtige Fragen zu finden: Dazu zählen
- Wie viel Wasser ist in einem späten Stadium der Scheibenentwicklung vorhanden, wenn sich Gesteinsplaneten bilden?
- Bildet sich Wasser in der inneren Scheibe (< 10 AE) oder wird es aus den äußeren Scheibenregionen (~ 100 AE) transportiert? (1 Astronomische Einheit AE entspricht ca. 150 Mio km)
- Wie sieht neben Wasser das chemische Inventar der Zone aus, in der sich Gesteinsplaneten bilden?
- Welche physikalischen Prozesse beeinflussen die chemische Vielfalt in den Scheiben?
- Deutet eine wasserarme innere Scheibe auf das Fehlen von Atmosphären um Gesteinsplaneten?
Die Verbindung zwischen der Chemie der Scheiben und der daraus resultierenden Planetenatmosphären spielt also eine entscheidende Rolle bei ihrem ambitionierten Projekt. Es verbindet die Bereiche Astronomie und Chemie, um den Ursprung von Wasser auf Gesteinsplaneten zu ergründen. Dabei proftiert Guilia Perotti davon, dass sie sich in den letzten Jahren als führende Expertin für beobachtende Infrarotastronomie ausgezeichnet hat, international vernetzt und insbesondere an mehreren großen JWST-Beobachtungsprogrammen beteiligt ist (z.B. MINDS, JOYS und Ice Age).
Weiterhin wird das Projekt von den ausgezeichneten Möglichkeiten am MPIA profitieren, die sich insbesondere durch die Zusammenarbeit mit den themenverwandten Abteilungen Planeten- und Sternentstehung (PSF, Thomas Henning) und Atmosphärenphysik von Exoplaneten (APEx, Laura Kreidberg) ergeben.
Ihre interdisziplinäre Forschung in den Feldern Astronomie und Kosmochemie begann sie bereits als Doktorandin durch Untersuchungen von Meteoriten. Perotti analysierte auch mögliche Vorläufer von Leben, die sich in eisigem Staub und Gas um junge Sterne vom Sonnentyp bilden. 2021 erhielt sie dann ein unabhängiges Postdoc-Stipendium am MPIA Heidelberg und wurde 2023 mit dem Patzer-Preis ausgezeichnet.
Die Förderung der neuen Forschungsgruppe beginnt im Oktober 2024 und ist zunächst ausgelegt auf 3+1 Jahre. Die Minerva-Gruppe wird voraussichtlich aus einem Postdoc und einem Doktoranden (oder einem zweiten Postdoc) bestehen. Zusätzlich sollen auch zwei weitere Master-Studenten die Gruppe unterstützen.
Die MPG wird die Preisträgerin auch auf ihrer Jahreshauptversammlung am 12. Juni ehren.
Das Minerva Fast Track Programm der Max-Planck-Gesellschaft (siehe hier) bietet herausragenden Wissenschaftlerinnen die Möglichkeit einer langfristigen Karriereplanung nach der Promotion. Es wurde 2014 zunächst in den MPG-Sektionen Chemie, Physik und Technik als ein Baustein zur Erhöhung des Frauenanteils in wissenschaftlichen Führungspositionen eingeführt - unter Wahrung höchster Qualitätsstandards.
Weitere Links mit Bezug zu Abb.2 (engl.):
https://www.nature.com/articles/s41586-023-06317-9
https://www.mpg.de/20541783/water-rocky-planets
KJ/GP