Lichtechos geben Einblick in die aktive Vergangenheit von Cassiopeia A
Forschungsbericht (importiert) 2006 - Max-Planck-Institut für Astronomie
Der Nebel Cassiopeia A (Abb. 1) ist wahrscheinlich entstanden, als ein Stern mit etwa 20 Sonnenmassen seinen Brennstoff verbraucht hatte und als Supernova vom Typ II explodierte. Dabei wurde seine äußere Hülle ins All geschleudert, während der zentrale Kern zu einem Neutronenstern mit etwa 20 Kilometer Durchmesser zusammenbrach. Das Alter dieses Supernova-Überrestes von ungefähr 325 Jahren lässt sich aus der Geschwindigkeit und Ausdehnung der Wolke ermitteln.
Das Astronomenteam beobachtete Cassiopeia A erstmals im November 2003 mit dem Weltraumteleskop Spitzer im Infraroten bei 24, 70 und 160 µm Wellenlänge. Auf der 24-µm-Aufnahme fielen zwei helle bogenförmige Wolken auf, die sich auf entgegengesetzten Seiten des Zentralkörpers in 45 beziehungsweise 36 Lichtjahren Entfernung befinden. Um sie näher zu studieren, unternahm das Team Nachbeobachtungen dieser „lobes“ mit dem Multiple Mirror Telescope auf dem Mount Hopkins und dem 3.5-m-Teleskop des Calar-Alto-Observatoriums. Diese Infrarotaufnahmen zeigten, dass sich scheinbar einige der in den Filamanten befindlichen Strukturen mit erheblicher Geschwindigkeit bewegt hatten (Abb. 2). Würde es sich dabei um eine reale Bewegung von Staubwolken handeln, so müssten diese etwa 50 % der Lichtgeschwindigkeit schnell sein. So hohe Geschwindigkeiten hat man in vergleichbaren Fällen noch nie beobachtet. Daraufhin beobachteten die Wissenschaftler Cassiopeia A im Dezember 2004 erneut mit SPITZER – auch auf diesen Aufnahmen fanden sich signifikante Veränderungen im Vergleich zu den ein Jahr zuvor gewonnenen Bildern (Abb. 3 und 4).
Mit realen Bewegungen der Staubwolken waren diese Unterschiede wegen der extrem hohen Geschwindigkeiten nicht erklärbar. Die Astronomen sehen in dieser Erscheinung ein Lichtecho: Der zentrale Neutronenstern hatte einen Ausbruch energiereicher Strahlung, vermutlich im Gamma- und Röntgenbereich. Dieser Lichtblitz breitete sich mit Lichtgeschwindigkeit im Raum aus und traf dabei nacheinander auf die zufällig verteilten Wolken von Gas und Staub in dem Supernova-Überrest. Der Staub erwärmt sich dabei und leuchtet im Infraroten, bis er wieder abgekühlt ist. Währenddessen entfernt sich der Lichtblitz weiter vom Zentralstern. Im Laufe der Zeit ergibt sich so eine Spur von aufleuchtenden und wieder erlöschenden Staubfilamenten. Sie markieren gewissermaßen die Ausbreitungsfront des Strahlungsblitzes und täuschen eine reale Bewegung der Filamente nur vor.
Mit einem einfachen räumlichen Modell ließ sich aus den beobachteten scheinbaren Bewegungen der Wolken ableiten, wann der Helligkeitsausbruch stattgefunden haben muss. Eine genaue Analyse zeigte: In Cassiopeia A gibt es mindestens zwei voneinander unabhängige Echos. Eines scheint von der Supernova-Explosion aus dem Jahre 1680 selbst zu stammen, das andere von erst kürzlich erfolgten Ausbrüchen, von denen einer um 1953 stattgefunden haben muss.
Ein solches Verhalten deutet darauf hin, dass es sich bei der zentralen Quelle in Cassiopeia A um einen „Soft gamma repeater“ handelt. Das sind vermutlich Neutronensterne mit starken Magnetfeldern, auch Magnetare genannt. Die Ursache der Ausbrüche ist nicht zweifelsfrei bekannt. Nach einer Theorie kann bei diesen Objekten das extrem starke Magnetfeld dazu führen, dass sich in der Kruste des Neutronensterns Beben ereignen, die zu gewaltigen Ausbrüchen von Gammastrahlung führen.
Bislang sind nur sehr wenige Magnetare bekannt. Sollten die Astronomen im Zentrum von Cassiopeia A tatsächlich solch ein Objekt entdeckt haben, so wird es das erste sein, von dem genau bekannt ist, wann und aus was für einem Stern es entstanden ist. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach der Ursache der beiden bogenförmigen Staubfilamente von Interesse. Diese bipolare Struktur deutet darauf hin, dass die anregende Energiewelle gebündelt und gerichtet aufgetreten ist. Es ist auch möglich, dass das nun zum Leuchten angeregte Material selbst die beobachtete, vornehmlich bipolare Verteilung hat. Dies ließe sich durch starke, kollimierte Winde des massereichen Sterns vor seiner Explosion erklären.
Zusätzliche Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop SPITZER gaben neue Hinweise auf den Ursprung der Lichtechos. So zeigt eine kürzlich gewonnene, noch größere 24-µm-Aufnahme Lichtechos bis zu einer projizierten Entfernung von mehr als 300 Lichtjahren um den Supernova-Überrest. Auch für diese neu entdeckten Filamente bestätigen bodengebundene Nachbeobachtungen im nahen Infraroten die schon für die näheren Echos gefundenen schnellen scheinbaren Bewegungen. Im Oktober 2005 gelang es außerdem erstmals, die bisher nur im Infraroten beobachteten Echos auch bei visuellen Wellenlängen nachzuweisen.
Zukünftig sind weitere Beobachtungen geplant, unter anderem auch Spektroskopie von einigen besonders hellen Filamenten. Da es sich bei der im Optischen beobachteten Emission höchstwahrscheinlich um an Staubpartikeln gestreutes Licht der Explosion von 1680 handelt, ließe sich aus einem Spektrum der genaue Typ der Supernova ableiten – mehr als drei Jahrhunderte, nachdem das Licht der Explosion die Erde erstmals erreichte. Dies wäre eine weitere spektakuläre Entdeckung. Sie würde es uns ermöglichen, den sehr gut erforschten Überrest von Cassiopeia A mit der Physik der Explosion zu verknüpfen.