Astronomen werden Zeugen der Geburt eines Planeten

Forschungsbericht (importiert) 2018 - Max-Planck-Institut für Astronomie

Autoren
Keppler, M.; Müller, A.
Abteilungen
Planeten- und Sternentstehung
DOI
Zusammenfassung

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) und des Konsortiums des SPHERE-Instruments am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) haben einen extrem jungen Exoplaneten im Stadium seiner Entstehung entdeckt und charakterisiert. Der Gasriese mit der Bezeichnung PDS 70 b wurde innerhalb einer Lücke der proto­planetaren Scheibe des Sterns PDS 70 nachgewiesen. Damit befindet sich PDS 70 b noch in der Umgebung seiner Entstehung und dürfte nach wie vor neue Materie auf sich ziehen.

Die Suche nach Exoplaneten hat bislang fast 4000 Exemplare mit unterschiedlichsten Größen, Massen sowie Abständen von ihren Muttersternen zutage gefördert. Wie sie entstehen, weiß man aber nicht genau. Zwar verfügen die Forscher über Theorien und Modelle möglicher Entstehungsszenarien. Jedoch war es bislang kaum möglich, Planeten im Zustand ihrer Entstehung nachzuweisen, den Entstehungsprozess direkt zu untersuchen und seine Eigenschaften mit den Berechnungen der Modelle zu vergleichen. Genau das ist Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und des Konsortiums des SPHERE-Instruments am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) gelungen.

Der Planet PDS 70 b wurde in einer Entfernung von 22 Astronomischen Einheiten (AE) von seinem Zentralgestirn PDS 70 entdeckt. Er ist damit 22-mal soweit von seinem Zentralstern entfernt, wie die Erde von der Sonne. Wir haben uns für unsere Untersuchung mit PDS 70 einen Stern ausgesucht, bei dem man bereits vermutete, dass dort ein junger Planet seine Kreise zieht [1].

Scheibe um einen jungen Stern

Der 370 Lichtjahre entfernte PDS 70 ist nur etwa 5,4 Millionen Jahre jung und zählt zur Klasse sogenannter T-Tauri-Sterne. Ihn umgibt eine protoplanetare Scheibe aus Gas und Staub mit einem Durchmesser von 130 Astronomischen Einheiten (AE). Zum Vergleich: Der äußere Rand des Sonnensystems, der Kuipergürtel, reicht nur bis etwa 50 AE. Solche Scheiben bestehen aus Material, das nach der Entstehung des Sterns übrig blieb.

Die zirkumstellare Scheibe um PDS 70 weist eine große Lücke auf. Man vermutet, dass solch eine Lücke dadurch entstehen kann, dass ein junger Riesenplanet auf seiner Bahn um den Mutterstern Ma­te­rie aus der Scheibe aufsammelt. Durch die Wechselwirkung mit der Scheibe verändert er dabei langsam seinen Ab­stand zum Zentralgestirn. Auf diese Weise räumt er allmählich eine größere Zone in der Scheibe frei.

In einer anschließenden Untersuchung gelang unserer Gruppe ein spektakuläres Bild des PDS-70-Systems (Abbildung 1). Auf dieser Aufnahme ist der Planet am inneren Rand des Scheibenspalts eindeutig erkennbar. Er läuft einmal innerhalb von etwa 120 Jahren um seinen Mutterstern herum. Ein Spektrum von PDS 70 b erlaubte es uns, seine atmosphärischen und physikalischen Eigenschaften zu bestimmen. Diese Entdeckung bietet eine beispiellose Möglichkeit, theoretische Modelle der Planetenbildung zu testen.

Ein junger Riesenplanet

Durch die Kombination von eigenen Messungen mit Archivdaten (Abbildung 2) können wir folgern, dass PDS 70 b ein riesiger Gasplanet mit mehreren Jupitermassen und einer Temperatur von etwa 1200 Kelvin ist. Er ist damit ungleich heißer als jeder Planet in unserem Sonnensystem. PDS 70 b ist jünger als der zentrale Stern und dürfte nach wie vor wachsen. Die Daten zeigen außerdem, dass der Planet von Wolken umgeben ist, die die Strahlung des Planetenkerns und seiner Atmosphäre modifizieren. PDS 70 b bestätigt zudem die Vorstellung, dass sich Gasplaneten wie Jupiter in größerer Entfernung von ihrem Zentralstern bilden sollten.

Um protoplanetare Scheiben sichtbar zu machen, wenden die Forscher raffinierte Beobachtungs- und Auswerteverfahren an. Auf normalen Aufnahmen überstrahlt der Stern alle Objekte in seinem direkten Umfeld – auch seine eigenen Planeten. Mit dem Instrument SPHERE lässt sich das Licht, das uns direkt vom Stern erreicht, jedoch weitgehend eliminieren.

SPHERE ist eine spezielle Kamera, die von einem internationalen Konsortium unter der Leitung des MPIA und dem Institut de Planétologie et d’Astrophysique de Grenoble (IPAG) entwickelt und gebaut worden ist. Es kommt an einem der 8-Meter-Teleskope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile zum Einsatz. SPHERE  nutzt die Eigenschaft der Polarisation des Lichts. Linear polarisierte Lichtwellen schwingen nur in einer Ebene. Das Licht eines Sterns ist dagegen überwiegend unpolarisiert, schwingt also in allen Richtungen. Trifft es auf die Scheibe, wird das Licht bei der Streuung an den Staubteilchen linear polarisiert. Nutzt man nun einen entsprechenden Polarisationsfilter, der Lichtwellen in nur einer Schwingungsebene durchlässt, detektiert oder blockiert man je nach Ausrichtung des Filters das Licht, das von verschiedenen Bereichen der Scheibe kommt. Fotografen nutzen einen ähnlichen Effekt, wenn sie Reflexionen von einer glatten Oberfläche ausblenden wollen.

Vom Licht des Sterns erhält man dagegen unabhängig von der Filterkonfiguration immer ein Signal. Dieser Unterschied erlaubt es den Astronomen, das direkte Sternenlicht aus den Daten herauszurechnen. Unterstützt wird die Operation durch eine weitere Methode: Die Astronomen decken den Stern mit einer Blende ab. Übrig bleibt ein Abbild der Scheibe.

Nach zehn Jahren der Entwicklung neuer, leistungsstarker astronomischer Instrumente wie SPHERE sind wir endlich in der Lage, Planeten direkt bei ihrer Entstehung zu finden und zu studieren. Damit wurde ein lang gehegter Traum wahr.

Literaturhinweise

1.
M. Keppler, M. Benisty, A. Müller, Th, Henning, et al.
Discovery of a planetary-mass companion within the gap of the transition disk around PDS 70
Astronomy & Astrophysics, 617, A44 (2018)
2.
A. Müller, M. Keppler, Th. Henning, et al.
Orbital and atmospheric characterization of the planet within the gap of the PDS 70 transition disk
Astronomy & Astrophysics, 617, L2 (2018)

MN/JN

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